Besprechung der nationalanarchistischen Bücher in der Deutsche Stimme (7/2005):

Nationalanarchismus?
Der große konservative Philosoph Panajotis Kondylis äußerte in einem seiner letzten Texte, dem Vorwort zu seiner fulminanten Aufsatzsammlung „Das Politische im 20. Jahrhundert“, eine ätzende Kritik an der Gegenwartslinken, die seiner Ansicht nach jeden Bezug zu ihren junghegelianischen und frühaufklärerischen Wurzeln verloren und sich nicht mehr der „ausnahmslosen Verherrlichung des freiheitlichen Gedankenguts“ verschrieben, sondern sich zum „Schlußlicht oder zum Rottenschließer des Amerikanismus gewandelt“ habe. Als einer der ganz wenigen Erben des freiheitlichen Furors dieser Ur-Linken kann der Berliner Peter Töpfer betrachtet werden, der gleichzeitig als früherer Mitherausgeber der Zeitschrift „Sleipnir“ und Initiator des „Querfront“-Projekts zu den kreativsten Köpfen der nationalen Opposition zählt und viel dazu beigetragen hat, daß die nur der herrschenden Politik und den Geheimdiensten dienenden Bürgerkriegsfronten zwischen Rechten und Linken in den letzten Jahren ein wenig aufgeweicht wurden. Töpfer wirkte in den letzten Jahren insbesondere über verschiedene Internetseiten, auf denen er in zahlreichen Aufsätzen sein Konzept eines „Nationalanarchismus“ vorstellte. Worum geht es dabei? Töpfer grenzt den „Nationalanarchismus“ scharf von allen Formen des Chaos ab, für ihn ist er die natürliche, selbstregulierende Ordnung, wie sie an den Anfängen der Menschheit schon einmal existierte. In den frühen Stammesgesellschaften, auf die Töpfer sich beruft, führte ein dichtes soziales Netz zur Herausbildung nicht-formgebundener Ordnungen von erheblicher und langanhaltender Stabilität. In dem zunehmenden Verfall jener auf sozialen Beziehungen, direkter Transaktion und informellen Regeln beruhenden Urgemeinschaft sieht Töpfer auch die Wurzeln der Krise der modernen Massengesellschaften begründet. Die Moderne ist für ihn ein verhängnisvoller Zentralisierungs- und Entfremdungsprozeß, charakterisiert durch imperiale Machtzusammenballungen, die die noch funktionierenden kleinen Gemeinschaften vor Ort durch die Unterwerfung unter die Sachzwänge des globalen Kapitals zerstört und den Einzelnen immer mehr von den elementaren Grundlagen des Lebens entfernt und ihn so in eine zunehmende seelische Verwahrlosung treibt. Dabei ist Töpfer aber das genaue Gegenteil eines geschichtsphilosophischen Defaitisten, der in zyklischen Untergangstheorien denkt und für den zwangsläufig alles auf die große unausweichliche Katastrophe hinausläuft. Der Einzelne und kleine Gruppen können sich immer helfen und das Soziale kann sich in den Mikrostrukturen vor Ort, sofern diese nur wiederbelebt werden, immer wieder regenerieren. Peter Töpfers in zwei Bänden gesammelte Texte zum Nationalanarchismus stellen bewußt kein geschlossenes und widerspruchsloses philosophisches System dar, sondern enthalten eine Vielzahl von essayistischen Reflexionen zu den Themenfeldern Nation, politische Theorie, moderne Psychologie, Zuwanderung, Rechtsphilosophie, Revisionismus und Frühgeschichte. Wer sich für akademische Philosophie interessiert, den wird Töpfers Auseinandersetzung mit Max Stirner, Carl Schmitt, Peter Sloterdijk und Julien Offray de Lamettrie ansprechen, wer sich für Strategie und Taktik der nationalen Opposition interessiert, der kann zu dem sehr gut zu lesenden und in Band 1 dokumentierten Briefwechsel mit Christian Worch greifen. Töpfers Debüt als politischer Philosoph, im letztjährig gegründeten „Eigner-Verlag“ erschienen, wird für erheblichen Diskussionsstoff sorgen, bietet aber auch so viele geistige Anregungen, daß man immer wieder gerne zu den beiden Bänden greift. Einen prominenten Fürsprecher haben die Bücher schon gefunden – nämlich den Berliner Historiker und Geschichtsphilosophen Professor Ernst Nolte, der in einem Brief an Peter Töpfer unter anderem schrieb: „In beiden Büchern habe ich mit Interesse gelesen – vielleicht wissen Sie, daß ich eine Schwäche für die Linke habe, sofern sie nicht (wie leider meist) konformistisch und opportunistisch ist. Eine ‘rara avis’ sind Sie auch dadurch, daß Sie die ‘Historische Existenz’ bei Ihren Überlegungen heranziehen.“ Töpfers rigoroses Plädoyer für die Natürlichkeit in einer Zeit, in der der Mensch zwischen den Requisiten einer perfekten Technik, die er sich selbst geschaffen hat, mehr und mehr als eine Art antiquierter und fleischhafter Tölpel erscheint, ist jedenfalls durchweg erfrischend.

Arne Schimmer